Serie: Man darf auch mal Glück haben Teil 2

Bequeme Gläubiger

Der Mandant ist ein junger Mann etwa Mitte 20. Er kommt mit seinem Vater. Dieser hat ihn gedrängt, sich einmal beraten zu lassen.

Der Mandant hat kurz nach seiner Volljährigkeit in einer Art von Kaufrausch viele Sachen gekauft. Nun kann er die ganzen Raten nicht mehr zahlen. Er hat ohnehin einen Job, bei dem er nicht allzu viel verdient. Seine Schulden belaufen sich auf ca. 18.000 €. Das verteilt sich auf etwa zwölf Gläubiger.

Wir analysieren und besprechen die Situation. Der Mandant möchte ein Insolvenzverfahren einleiten, um sich von seinen Schulden zu befreien.

Als Privatperson stellen wir den Antrag für ein Verbraucherinsolvenzverfahren. Das Verfahren wird eröffnet.

Nach der Eröffnung schreibt der Insolvenzverwalter sämtliche angegebenen Gläubiger an. Sie können dann bei ihm ihre Forderungen anmelden. Dazu müssen sie ihm darstellen und durch geeignete Unterlagen belegen, dass sie Geld zu bekommen haben, außerdem natürlich auch in welcher Höhe genau. Ein Gläubiger hat also zum Beispiel den Kaufvertrag oder die Bestellung, dann den Lieferschein und schließlich die Rechnung vorzulegen. Der Insolvenzverwalter sieht sich dann die Angaben und Unterlagen an. Wenn es für ihn plausibel ist, akzeptiert er die Forderung. Sie wird dann in die Insolvenztabelle aufgenommen. Nur wenn diese Prozedur durchlaufen ist, bekommt ein Gläubiger Geld, sofern es welches zu verteilen gibt.

Für einen Gläubiger bedeutete dies einen gewissen Aufwand. Hinzu kommt noch, dass der Insolvenzverwalter die Angaben in einem bestimmten Formular haben will. Allein letzteres schreckt schon viele ab. Für die Gläubiger ist dann die nächste Frage, ob sie überhaupt einmal Geld bekommen und wenn ja, wie viel.

Eine erste Einschätzung kann ein Gläubiger bei einer Verbraucherinsolvenz aus dem Vorverfahren vornehmen. Vor der Stellung des Insolvenzantrags ist nämlich zunächst ein solches Verfahren durchzuführen. Im sperrigen Juristendeutsch heißt das: außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren. Hierbei bekommt der Gläubiger mitgeteilt, wie hoch das Einkommen seines Schuldners ist. Wenn das unter oder nur knapp über der Pfändungsgrenze liegt, bekommt der Insolvenzverwalter eben nichts oder auch nur sehr wenig in seine Kasse. Der Insolvenzverwalter und das Gericht werden zuerst bezahlt. Nur wenn dann etwas übrigbleibt, bekommen die Gläubiger Geld.

Man kann also eine gewisse Einschätzung haben. Natürlich weiß man nie, ob der Gläubiger noch andere größere Vermögenswerte hat. Diese Ungewissheit bleibt eben.

Trotzdem ist es vielen Gläubigen egal. Sie haben ihr Geld schon „abgeschrieben“. Sie haben keine Lust auf diesen Aufwand. Ein gewisser Prozentsatz der Gläubiger meldet also gar keine Forderung an. Dann bekommen sie natürlich auch kein Geld.

Nun kommt noch eins hinzu: nur die Gläubiger, die eine Forderung angemeldet haben und die anerkannt worden ist, werden in dem weiteren Verfahren beteiligt.

In unserem Fall ist das der entscheidende Aspekt!

In dem Verfahren hat tatsächlich nur ein einziger Gläubiger eine Forderung angemeldet. Diese betrug sage und schreibe 100 €.

Wir haben den Mandanten empfohlen, über einen Dritten diese Forderung bezahlen zu lassen. Das ist dann über den Vater erfolgt.

Folge davon war, dass es in dem Insolvenzverfahren keine Gläubiger mehr gab. Wenn das so ist, gibt es auch kein Interesse (des Staates) mehr, das Verfahren noch weiter zu führen. Die Gläubiger haben ja gezeigt, dass sie kein Interesse daran haben, dass das Insolvenzverfahren weitergeführt wird. Es kann umgehend beendet werden! Es müssen lediglich noch der Insolvenzverwalter und die Gerichtskosten bezahlt werden. Infolge der vorzeitigen Beendigung sind hier die Kosten dann auch geringer als bei einem normalen Ablauf. So ist es hier dann auch geschehen.

Ergebnis:

Weil nur ein einziger Gläubiger mit einer kleinen Forderung diese zur Insolvenztabelle angemeldet hatte, konnte das Verfahren ganz schnell wieder beendet werden. Der Mandant bekam die Schuldbefreiung. Die anderen Gläubiger konnten also auch nichts mehr von ihm verlangen. Er war also für 100 € plus die Verfahrenskosten Schulden von ca. 18.000 € innerhalb von wenigen Monaten losgeworden.

Man darf auch mal Glück haben!

Advosolve Fachanwaltskanzlei, 02.11.2022

Mannheim, Karlsruhe, Heidelberg, Frankfurt

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