Restschuldbefreiung: Bislang noch keine Verkürzung des Verfahrens auf drei Jahre
Ein Bericht aus Karlsruhe, 2.10.2020
Die Bundesregierung hatte kürzlich beschlossen, dass ab dem 1.10.2020 das Verfahren von sechs auf drei Jahre verkürzt werden soll. Viele haben das falsch verstanden. Sie meinen, die Entscheidung der Bundesregierung sei bereits das Gesetz. Das ist aber falsch. Ein entsprechendes Gesetz muss vom Bundestag erst noch verabschiedet werden. Das ist bis heute, den 2.10.2020, noch nicht geschehen. Vielmehr war noch am 30.9.2020 eine öffentliche Anhörung im Bundestagsausschuss für Recht und Verbraucherschutz. Dort ist der vorgelegte Regierungsentwurf eines Gesetzes von Verbänden und Fachkreisen äußerst kritisch beurteilt worden.
Es gibt eine Reihe von Kritikpunkten. Zum einen wird zwischen Privatpersonen und Unternehmen unterschieden. Bei Verbrauchern ist die Verkürzung zunächst auf Verfahren in den nächsten fünf Jahren begrenzt. Dann soll diese Verkürzung wieder entfallen. Bei Privatpersonen soll nach diesen fünf Jahren untersucht werden, wie diese sich verhalten haben. Die Befürchtung ist anscheinend, dass sich Privatpersonen leichter verschulden würden, weil es nun leichter sei, sich wieder von den Schulden zu befreien. Die geplante Regelung lässt vermuten, dass weiterhin Druck auf Privatpersonen ausgeübt werden soll, sich nicht zu verschulden und brav die Rechnungen zu bezahlen.
Dagegen werden Unternehmer bevorzugt. Hier gibt es keine derartige zeitliche Begrenzung. Es ist auch keine weitere Überprüfung geplant.
Diese Ungleichbehandlung halten die Verbände und Fachkreise für ungerechtfertigt. Das ist auch zutreffend. Es ist kein fertiger Grund erkennbar, weshalb Unternehmer und Verbraucher unterschiedlich behandelt werden sollen.
Auch die ursprünglich vorgesehene Verkürzung des Zeitraums, in der Insolvenzdaten gespeichert werden, soll entgegen einem früheren Entwurf nicht mehr verkürzt werden. Hier geht es insbesondere um die Speicherung in Auskunfteien. Die bekannteste hiervon ist die SCHUFA. Bislang ist die Speicherfrist drei Jahre. Ursprünglich war geplant, diese auf ein Jahr zu verkürzen. Nun soll es doch wieder bei den drei Jahren bleiben. Aus welchem Grund das nun doch wieder geändert werden soll, ist unbekannt.
Schließlich ist ein weiterer relevanter Punkt das Verbot, während des Verfahrens unangemessene Verbindlichkeiten neu zu begründen. Dieses Verbot ist neu. Einen ähnlichen Gedanken hat es bislang nur im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens gegeben. Hinzu kommt noch, dass bislang nur dann Konsequenzen gab, wenn ein Gläubiger dies beanstandet hat. Nach dem neuen Entwurf soll von Amts wegen zu beachten sein, ob unangemessene neue Schulden begründet wurden. Hier wird also das Gericht verpflichtet tätig zu werden. Das gilt auch dann, wenn kein Gläubiger ein Interesse daran zeigt, dass das Verfahren scheitert und der Betreffende keine Schuldbefreiung erhält.
Das ist eine erhebliche Verschärfung. Auch hier zeigt sich, dass sich bei den bislang vorliegenden Gesetzesentwurf Hardliner durchgesetzt haben. Dabei ist es unnötig. Wenn man einmal Insolvenzverfahren vollständig durchlaufen und die Restschuldbefreiung bekommen hat, kann man schon nach heutiger Rechtslage ein neues Verfahren erst nach zehn Jahren wieder beginnen. Schulden, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurden, bleiben bestehen. Nach der Neuregelung würde der Schuldner nicht nur seine neuen Schulden haben, sondern auch noch die alten behalten. Den einzigen Sinn, den man hierin erkennen kann, ist Abschreckung. Das läuft jedoch dem elementaren Grundgedanken des gesamten Insolvenzrechts zuwider, nämlich die Möglichkeit, dass ein Mensch ein Recht auf einen wirtschaftlichen Neustart hat.
Nach meiner Ansicht ist die geäußerte Kritik mehr als berechtigt. Es bleibt abzuwarten, wie das nun als abgeändert umgesetzt wird. Interessant wird vor allem die Frage sein, wann das Gesetz verabschiedet und in Kraft treten wird. Der von der Bundesregierung selbst (ohne Not) angekündigte Termin zum 1.10.2020 ist jedenfalls verfehlt worden.