Werden insolvenzreife („Zombie-„) Unternehmen als Begleitschaden gezüchtet?
Karlsruhe, Mannheim, 13.11.2020
Es ist schon eigenartig. Die vielfache beschriebene und erwartete Insolvenzwelle lässt auf bislang (Stand 12.11.2020) warten. Im Gegenteil: die Zahl der Insolvenzen hat bisher im Verhältnis zu den vorigen Jahren stark abgenommen.
Zehn Jahre hielt der Aufschwung. In ihr ist die Zahl der Insolvenzen stetig gesunken. Gab es nach dem statistischen Bundesamt 2009 noch 33.762 Unternehmensinsolvenzen, waren dies fünf Jahre später noch 14.549. Weitere fünf Jahre später, also 2019, waren es noch 19.005. Innerhalb des zehnjährigen Aufschwungs hat sich die Zahl Insolvenzen damit bald halbiert.
Dabei kommen in einer Volkswirtschaft immer Insolvenzen vor. Es gibt stets eine Anzahl von Unternehmen, die in eine massive finanzielle Schieflage geraten. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Mal ist es Krankheit oder Alter des Unternehmensinhabers, mal sind es neue Entwicklungen. Auch veränderte Marktlagen lassen alte Geschäftsmodelle wegbrechen. Richtig ist nach wie vor die Aussage des Ökonomen Schumpeter: Neues löst Altes ab, es gilt das Prinzip der „schöpferischen Zerstörung.“
Nach zehn Jahren guter, wenn nicht sogar blendender, Wirtschaftslage kann man die Zahl der Insolvenzen im Jahr 2019 als unteren Bereich einstufen, der also immer gegeben ist.
Nun haben nach dem statistischen Bundesamt im Vergleich von Mai 2019 zu zur Mai 2020 9,9 % weniger Unternehmen einen Insolvenzantrag gestellt.
Wenn man die Monate Juli 2019 und 2020 vergleicht waren es noch mehr. Hier gab es sogar 16,7 % weniger Insolvenzverfahren.
Insgesamt waren es im ersten Halbjahr 2020 im Verhältnis zu 2019 6,2 % weniger Unternehmensinsolvenzen. Hierbei ist zu bedenken, dass die ersten Monate im Jahr 2020 noch „normal“ verlaufen sind.
Noch deutlicher und gravierender wird der Unterschied beim Vergleich der Monate August 2019 zu 2020. Hier gibt es eine vorläufige Auswertung bei den Regelinsolvenzverfahren. Diese umfassen die Unternehmensinsolvenzen, also GmbHs, AGs usw. Hinzu kommen noch die Selbstständigen, Freiberufler, einzelkaufmännisch geführten Betriebe sowie die OHGs und KGs. Hier betrug der Rückgang im Vergleich zum Vorjahresmonat 38,9 %! Davon haben die Unternehmensinsolvenzen einen Anteil von ca. 55 %. Der Rückgang beträgt damit bei diesen mehr als 20 %.
Wir haben also in den letzten Monaten noch einmal erheblich weniger Insolvenzverfahren als es am Ende der 10-jährigen Aufschwungsphase gab. Das ist durchaus verwunderlich. Sollte man doch meinen, dass die Zahlen deutlich ansteigen, weil es vielen Unternehmen in der Coronakrise deutlich schlechter gehen soll und bestimmt auch geht.
Über die Gründe hierfür kann man nur spekulieren. Sicherlich hat das Füllhorn, mit dem die Bundesregierung finanzielle Hilfen in nie für möglich gehaltener Höhe ausschüttet, vielen geholfen. Das war für viele Unternehmen und Betriebe positiv und notwendig.
Ein weiterer Aspekt ist sicherlich die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht von März bis zum 30.9.2020.
Wenn man den starken Rückgang der Insolvenzverfahren betrachtet, drängen sich gewisse Vermutungen auf.
Zum einen liegt der Verdacht nahe, dass eine Reihe von Unternehmen durch die Finanzhilfen künstlich weiter am Leben gehalten werden. Das stützt die sogenannten “Zombie“-Unternehmen. Das sind solche, die selbst mittelfristig nicht mehr in der Lage sind, auch nur die Zinsen für ihre Kredite zurückzuzahlen, geschweige denn zu tilgen. Von Gewinnen ist dabei schon gar keine Rede mehr. Schon vor Corona gab es in den Medien Berichte über Unternehmen, die sich noch dadurch über Wasser halten, dass sie ständig neue Kredite aufnahmen. Diese haben sie dann zur Erfüllung ihrer alten Kredite verwendet. In den Zeiten der Niedrigzinsen ist das möglich. Ein solcher Kreislauf muss irgendwann zusammenbrechen. Jetzt bekommen solche Unternehmen auch noch Hilfen anderer Art und agieren weiter.
Zum anderen hat die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, auch wenn sie durchaus sinnvoll gewesen ist, sicher ihre Auswirkungen.