Folgender Sachverhalt in Kürze:
Über das Vermögen einer GmbH wurde 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Insolvenzverwalterin forderte dann von einer Spedition, welche eine langjährige ständige Geschäftsbeziehung zur GmbH unterhalten hatte, rund 50.000 Euro im Wege der Insolvenzanfechtung zurück. Sie stützte sich darauf, dass die Spedition diese Gelder seit 2013 von der GmbH erhalten habe, obwohl diese bereits zahlungsunfähig gewesen sei. Damals hatten andere Gläubiger bereits einen Insolvenzantrag gestellt. Diese Anträge wurden aber durch Zahlung der Verbindlichkeiten durch Dritte erledigt. Die Spedition wusste davon nichts. Die GmbH hatte zwar immer schleppend bezahlt. Gerichtliche Schritte mussten gegen die GmbH aber nie eingeleitet werden.
Nach Ansicht des BGH scheidet ein Anspruch auf Zahlung über § 133 Abs. 1 InsO aus. Die GmbH hatte keinen Vorsatz, andere Gläubiger zu benachteiligen. Es liege kein Nachweis dafür vor, dass die GmbH bereits zwei Jahre vor Insolvenzeröffnung von ihren Liquiditätsproblemen gewusst hat. Auch die Kenntnis der Spedition von diesen Liquiditätsschwierigkeiten hat die Insolvenzverwalterin nicht nachweisen können.
Mit seinem Urteil vom 06.05.2021 hatte der IX. Zivilsenat ausdrücklich seine Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung bezüglich der subjektiven Voraussetzungen geändert (BGH, Urteil vom 06.05.2021, IX ZR 72/20). Der BGH setzt nun mit diesem neuen Urteil seine Änderung der Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO fort. Er hat weiter konkretisiert, dass ein schleppendes Zahlungsverhalten des Schuldners allein nicht auf eine später eingetretene Zahlungseinstellung schließen lässt. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Schuldner ein solches Zahlungsverhalten während der gesamten Geschäftsbeziehung an den Tag gelegt hat.
Mit dieser Rechtsprechung weicht der BGH „Glaubenssätze“ auf, welche Insolvenzverwalter bei ihren Insolvenzanfechtungen bisher vor sich hergetragen haben. Er nähert sich so der gelebten Praxis im geschäftlichen Alltag vieler Unternehmen. Man denke nur an die Baubranche. Es bleibt spannend und weckt Hoffnung auf eine kalkulierbarere Basis einer geschäftlichen Zusammenarbeit.
Advosolve Fachanwaltskanzlei, 29.03.2022
Mannheim, Heidelberg, Karlsruhe