Das Finanzamt hatte mit einem SEPA-Lastschriftmandat bei der Schuldnerin einen Betrag von rund 92.000 € eingezogen. Zwei Tage später, am 14.11.2019, erfolgte die Belastung des Kontos der Schuldnerin und die Wertstellung auf dem Konto des Finanzamts. Ebenfalls am 14.11.2019 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzgericht ordnete noch am selben Tag die vorläufige Eigenverwaltung an. Am nächsten Tag (15.11.2019) unterrichtete die Schuldnerin das Finanzamt darüber, dass sie einen Insolvenzantrag gestellt hat. Am 01.02.2020 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung angeordnet.
Der Sachwalter verlangte nun vom Finanzamt im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO die abgebuchten 92.000 € wieder heraus.
Der BGH hat dem Sachwalter Recht gegeben: Das Finanzamt muss alles wieder zurückbezahlen.
Warum denn? Das Finanzamt hatte doch das Geld schon auf seinem Konto gutgeschrieben bekommen, bevor es von dem Insolvenzantrag etwas erfahren hat. Die Schuldnerin hatte das Finanzamt doch erst einen Tag danach angeschrieben.
Der Grund dazu findet sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank der Schuldnerin. Diese sehen unter anderem vor: „…Lastschriften sowie Schecks sind eingelöst, wenn die Belastungsbuchung nicht spätestens am zweiten Bankarbeitstag – bei SEPA-Firmenlastschriften nicht spätestens am dritten Bankarbeitstag – nach ihrer Vornahme rückgängig gemacht wird…“
Der Sachwalter hat sich genau darauf gestützt: Er meinte, die Lastschrift sei erst am 18.11.2019, am zweiten Bankarbeitstag nach ihrer Vornahme, wirksam geworden. Damit also erst nach Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung. Zu dem Zeitpunkt sei das Finanzamt auch bereits über den Insolvenzantrag der Schuldnerin unterrichtet gewesen.
Genauso hat es der BGH auch gesehen: Für die Insolvenzanfechtung kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner aus Sicht des Gläubigers erfüllt hat, also die Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben worden ist. Maßgeblich ist, wann der Schuldner endgültig verfügt und der Zahlungsempfänger eine gesicherte Rechtsposition erlangt hat. Hier kommt es also darauf an, wann die Lastschrift durch die Bank der Schuldnerin eingelöst worden ist. Und zwar vorbehaltlos!
Vor Ablauf der Stornierungsfrist von zwei Tagen war das nach den Regelungen der Bank nicht der Fall. Innerhalb dieser Frist konnte die Abbuchung nämlich noch storniert werden. Die Vereinbarung einer abweichenden Regelung war nicht nachgewiesen worden. Diese Regelung in den AGB hat der BGH auch als wirksam angesehen. Danach gilt für die Insolvenzanfechtung also grundsätzlich: Man braucht bei einer solchen Regelung für eine wirksame Abbuchung immer eine Belastungsbuchung und den Ablauf der Zwei-Tages-Frist.
Das, was dem Finanzamt passiert ist, kann jedem anderen Gläubiger auch passieren. Also auch bei einem SEPA-Lastschriftmandat muss man im Falle eines Insolvenzantrags damit rechnen, dass der Insolvenzverwalter versucht, eingezogene Gelder wieder zurückzuholen. Das Thema Überweisungen und Abbuchungen im Vorfeld der Insolvenz ist sehr komplex. Auch hier kommt es oft auf Kleinigkeiten an. Gerade begleitende Kommunikation zwischen den Beteiligten kann wichtig sein. Gerne unterstützen wir Sie.
Advosolve Fachanwaltskanzlei, 14.12.2022
Mannheim, Karlsruhe, Heidelberg, Frankfurt