Hierzu das Amtsgericht Norderstedt (Beschluss vom 15.09.2022, Az. 66 IN 90/19):
Über das Vermögen eines Angestellten war ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Dieser stellte Ende August 2022 beim Insolvenzgericht den Antrag, dass die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro an ihn ausgezahlt wird und nicht an den Insolvenzverwalter.
Das Gericht hat diesen Antrag abgelehnt. Das Geld sei an den Insolvenzverwalter auszubezahlen. Seine Begründung in wesentlichen Zügen:
- Im Gesetz selbst gibt es keine Regelung dazu, ob die Energiepreispauschale (Pauschale) pfändbar ist. Es hilft dem Schuldner also nicht.
- Bei der Energiepreispauschale handelt es sich nicht um eine Lohnzahlung. Es handelt sich bei der Pauschale nicht um Arbeitseinkommen des Schuldners. Außerdem liegen darin auch keine eigenständig erwirtschafteten Einkünfte des Schuldners. Die Regeln zur Lohnpfändung helfen also auch nicht. Sie finden gar keine Anwendung.
- Der Betrag von 300 Euro ist vom Arbeitgeber aus der einzubehaltenden Lohnsteuer zu entnehmen und an den Arbeitnehmer – nach Besteuerung – auszubezahlen. Die Pauschale ist daher mit einem Steuererstattungsanspruch zu vergleichen. Dieser wiederum gehört zur Insolvenzmasse. Während des Insolvenzverfahrens geht der Schuldner also leer aus.
Es liegt nahe, in der Pauschale eine unpfändbare Sozialleistung zu sehen. Eine Leistung nur für den Schuldner. Das lehnt das Gericht aber ab. Der Anspruch ist nicht im Sozialgesetzbuch, sondern in einem Steuergesetz geregelt. Anders als beim Kindergeld wurde die Energiepreispauschale nicht für unpfändbar erklärt. Außerdem hat der Gesetzgeber nicht eindeutig gesagt, wofür genau die Pauschale verwendet werden soll. Es ist insbesondere nicht klar, wem letztlich die Zahlung zufließen muss und wofür jemand genau diese Pauschale ausgeben muss oder darf. Zwar findet sich in der Begründung des Gesetzes als Zweck „die Kompensation der drastisch gestiegenen erwerbsbedingten Wegeaufwendungen“. Doch auch jemand, der im Homeoffice ist, bekommt diese Pauschale. Jeder kann das Geld also ausgeben, wofür er es will. Daher kann dieses Geld indirekt auch beliebigen Gläubigern zukommen. Auch diese haben schließlich erhöhte Kosten.
Während eines laufenden Insolvenzverfahrens hat der Schuldner also nichts von der Pauschale. Während der Treuhandphase, die sich in der Regel noch an das Insolvenzverfahren bis zum Auslaufen der Abtretungserklärung anschließt, wäre das dann aber anders: In dieser Zeit vereinnahmt der Treuhänder lediglich den abgetretenen Lohn. Die Pauschale bekommt dann der Schuldner.
Außerhalb des Insolvenzverfahrens, sprich bei „normalen“ Vollstreckungen müsste man aufpassen: Eine Lohnpfändung umfasst nicht die Energiepreispauschale. Diese müsste man gesondert pfänden.
Es gibt auch andere Meinungen zu diesem Thema. Eine sagt z.B.: Die Energiepreispauschale ist eine Sozialleistung. Deren Pfändbarkeit und auch die Frage der Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse ist eine Frage des Einzelfalls.
Die Frage der Pfändbarkeit der Pauschale betrifft z.B. auch das Pfändungsschutzkonto: Was passiert nämlich, wenn die Energiepreispauschale auf das Pfändungsschutzkonto ausgezahlt wurde und der dort vorgemerkte unpfändbare P-Konto-Betrag überschritten wurde?
Für betroffene Schuldner gibt es keinen pauschalen Rat. Im Einzelfall ist Vieles möglich. Gerade bei einer solch unklaren Rechtslage. Oft hilft schon ein Gespräch unter Beteiligten, um eine für alle Seiten gangbare Lösung zu finden. Auch ohne Einschaltung des Gerichts.
Advosolve Fachanwaltskanzlei, 15.11.2022
Mannheim, Karlsruhe, Heidelberg, Frankfurt